Sonntag, 10. September 2017

Galleria Henry

Nachts gewittert es ordentlich und auch der neue Tag beginnt regnerisch. Ein jeder von uns verkrümelt sich in sein Fahrzeug. Mittags hört es auf zu regnen, und so kommen wir auf die Idee, zusammen etwas zu unternehmen.


Zu Fuß machen wir uns auf den Weg zum touristischen Highlight des Ortes: dem "Bergbautunnel Henry". Kaum haben wir die ersten Schritte gemacht, fängt es wieder an zu regnen. Das war eigentlich nicht der Plan. Egal, im Tunnel wird es wohl trocken sein. Also weiter ...

Tatsächlich sind wir ordentlich nass, als wir am Eingang der Anlage auf 50 Meter ünN ankommen.


Unser Führer stattet uns zunächst aus mit einem Kopfhäubchen (aus Hygienegründen) und einem Helm (aus Sicherheitsgründen). Wir sehen alle recht lustig aus. Er erzählt uns die Geschichte und die Hintergründe des Tunnels auf Italienisch, wir verstehen längst nicht alles, aber wohl doch das wesentliche:


Die Anlage ging 1865 in Betrieb. Über den etwa einen Kilometer langen Tunnel wurde das abgebaute Erzgestein aus dem Berg heraus und dann zu den weiterverarbeitenden Raffinerien in Buggerru transportiert. Gründer und Namensgeber der Anlage war der Franzose Henry. Die Einheimischen verfügten zwar über die Arbeitskräfte, das Gestein abzubauen, nicht aber über das notwendige Wissen, die Erze und Mineralien vom Gestein zu trennen. Dieses Know-how kam aus Frankreich, Belgien und England.

Die Loren wurden ganz früher von Tieren gezogen, später wurde eine keine Lokomotive mit Braunkohle befeuert, welche eigens für diesen Zweck aus England eingeschifft wurde und der Buggerru seinen Hafen zu verdanken hat.

Wir besteigen die zu Passagierkabinen umgebauten Loren und laut ratternd rumpelt das kleine Bähnchen mit uns in die Dunkelheit. Es ist ein wenig unheimlich, vermittelt aber eindrucksvoll die widrigen Umstände, unter denen hier früher geschuftet wurde. In großen Abständen brennt hier und da eine Funzel, gelegentlich erhascht man einen Blick auf Seitenstollen oder aber durch gelegentliche Felsdurchbrüche auch mal einen Blick aufs Meer.


Nach wenigen Fahrminuten erreichen wir ein Plateau unter offenem Himmel, dem Wendepunkt der Lorenbahn. Es schüttet zwar gerade nicht mehr, dennoch möchte man die Tour ab hier heute nicht zu Fuß fortsetzen, da man durch den Regen Angst vor abrutschendem Gestein hat - außerdem ist den beiden sardischen Lokführern sichtlich kalt.



Nach einer ausladenden Erklärung der Felsformationen ringsum und wann welches Gestein wo und wie abgebaut wurde, fahren wir mit der Bahn wieder in den Tunnel ein, dürfen unterwegs jedoch einmal aussteigen und einen Seitentunnel begehen, der hinaus Richtung Meer führt. Unser Blick fällt auf ein fantastisches Tauchrevier, welches uns wetterbedingt leider verwehrt bleibt ...







Der Rest der Geschichte des Tunnels ist schnell erzählt: 1970 wurde der Bergbau stillgelegt, weil sich die Bodenvorkommen erschöpften und es immer teurer wurde, an die letzten erzhaltigen Adern heranzukommen, letztendlich wurde das Unternehmen unrentabel. Nichtsdestotrotz verdankt das Örtchen Buggerru dieser Vergangenheit, daß die Franzosen, Belgier und Engländer hier ein Krankenhaus, Schulen, den Hafen und nicht zuletzt auch Strassen bauten, weil Henry per Schiff ein Automobil hierher bringen ließ, welches er aufgrund der isolierten Lage des Dorfes in den Bergen einzig und allein innerhalb des Ortes fahren konnte. Nach Schließung der Zeche verschwanden die Franzosen, Belgier und Engländer wieder aus Buggerru und damit drohte das Bergdorf wieder in die Bedeutungslosigkeit auf Sardiniens Landkarte zu verschwinden, erst in jüngster Zeit entwickelt sich hier ganz, ganz zaghaft der Tourismus. Wenn wir an die Fahrt hierher denken, wundert uns das nicht ...

Unserer armen Sonja ist am Ende der wortgewaltigen Führung in ihrer durchnässten Jacke leider eiskalt - schnellen Schrittes machen wir uns auf den Heimweg. Dort angekommen stehen unsere beiden Dicken in einem großen See! Das ist aber blöd. 



Wir stellen uns um, und dann warten Sonja & Klaus mit was lecker warmen auf: Glühwein auf Sardinien - man mag es ja nicht glauben!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen